Clara Brörmann

Symmetria

Abbildung: Clara Brörmann, 2022
Abbildung: Clara Brörmann, 2022

Ausstellung: 15.09.2022 – 19.11.2022

2. Etage

Öffnungszeiten: Do–Fr 14–18 Uhr, Sa 12–18 Uhr

Bitte tragen Sie während Ihres Ausstellungsbesuchs eine FFP2-Maske. Danke!

(English version below)

Man erkennt in den Bildern der Künstlerin Clara Brörmann, die in ihrer Studienzeit auch „sehr viel figürlich gemalt hat“, keine abbildliche menschliche Figur. Und doch beziehen sich ihre oft großen Hochformate auf den menschlichen Körper, das menschliche Maß. Es sind vielschichtige, abstrakte Gemälde, komponiert aus runden und eckigen, manchmal auch spitz zulaufenden Formen in leuchtend-satten Farben, die prozesshaft über einen längeren Zeitraum entstanden sind und mit einer Keilrahmentiefe von etwa 7 cm fast objekthaft im Raum Präsenz zeigen.
Wie der Mensch zum Beispiel auf seiner Haut oder Kleidung haben die Bilder Brörmanns hin und wieder oberflächliche Fehlstellen: Etwas Farbe steht oder blättert(e) ab, wurde abgeschliffen oder man sieht leichte Erhebungen oder Krusten, etwa dort, wo Farbe entlang eines später abgezogenen Klebebands aufgetragen wurde und angetrocknet ist. Die Entstehungsgeschichte wird so von der Künstlerin präsent gehalten: als bewusst sichtbar gemachter Teil ihrer Arbeit, die – vom eigenhändigen Zusammenbauen und Bespannen des Bildträgers bis hin zum letzten Pinselstrich – auch immer Körperarbeit ist. Auch die häufig mit Rinnsalen von Farbe bedeckten Kanten der Leinwände zeugen davon.

In der Ausstellung Symmetria, die in den weitläufigen hellen Räumen von RL16 in der zweiten Etage der Rosa-Luxemburg-Straße 16 zu sehen ist, zeigt Clara Brörmann sechs Werke aus ihrer aktuellen, titelgebenden Serie Symmetria (2022), einige Wendepunktbilder (seit 2020) und Laternenbilder (seit 2020) sowie kleinere gerahmte Arbeiten aus farbigem Transparentpapier (Diaphanbilder, 2022). Alle waren in Berlin noch nicht zu sehen.
Dabei nimmt sie mit dem Titel Symmetria (dt.: Ebenmaß, Gleichmaß) beispielhaft Bezug auf den römischen Architekten, Ingenieur und Architekturtheoretiker Vitruv (1 Jh. v. Chr.), der den ursprünglich griechischen Begriff in seinen Zehn Bücher[n] über Architektur benutzte. Für das Motiv der Einladungskarte spielte Brörmann wiederum mit der bekannten Skizze Der Vitruvianische Mensch (ca. 1490) von Leonardo da Vinci, der sich darin bereits auf die Proportionslehre Vitruvs bezog. Clara Brörmann hat das einprägsame, memeartige Motiv, das wir alle irgendwie kennen – sei es aus dem Kunstunterricht, vom Florenzurlaub, von der italienischen Ein-Euro-Münze oder unserer Krankenkassenkarte – gespiegelt übereinander gedruckt, wodurch sich der Symmetrie-Effekt steigert. Ergänzend sei hier erwähnt, dass da Vinci den Text auf seiner Zeichnung, den er zum Teil Vitruvs Proportionslehre entnimmt (und in dem man, ins Deutsche übersetzt, unter anderem lesen kann: „4 Finger ergeben eine Handfläche … 24 Handflächen ergeben einen Mann“), selbst spiegelverkehrt geschrieben hat.

Clara Brörmanns Bilder der Symmetria-Serie – in denen ebenfalls verschiedene Symmetrien zu entdecken sind – finden sich bei RL16 in Nachbarschaft zueinander gehängt, wodurch ein vergleichendes Sehen ermöglicht wird.
Auch der Ausstellungsbesuch im realen Raum ist immer eine Körpererfahrung: So lädt Clara Brörmann insbesondere mit und in Symmetria nicht nur dazu ein, Momente der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts bei sich wachzurufen (so etwa Hans Arp, Sonia Delaunay, Oskar Schlemmer, Hilma af Klint, Le Corbusier oder Frank Stella), sondern vor allem mit ihren Bildern in einen direkten Dialog zu treten, sich mit den darin festgehaltenen Proportionen zu vergleichen, über den eigenen Körper, dessen Maße und Bewegungsradius nachzudenken und diesen Eigenschaften und deren Bedeutung für unser Selbstbewusstsein – auch vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung und dem Trend hin zu virtuellen Begegnungen und smarten Technologien – wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Text: Barbara Buchmaier

Clara Brörmann, Ausstellungsansicht Symmetria, Foto: Jens Ziehe

Clara Brörmann, Ausstellungsansicht Symmetria, Foto: Jens Ziehe

Clara Brörmann, Großes Wendepunktbild (blau), 2021 und Wendepunktbid 4, 2020, Ausstellungsansicht Symmetria, Foto: Jens Ziehe

Clara Brörmann, Großes Wendepunktbild (blau), 2021 und Wendepunktbid 4, 2020, Ausstellungsansicht Symmetria, Foto: Jens Ziehe

Clara Brörmann, Ausstellungsansicht Symmetria, Foto: Jens Ziehe

Clara Brörmann, Ausstellungsansicht Symmetria, Foto: Jens Ziehe

Clara Brörmann, Laternenbild 20, 2022 und Wendepunktbild 3, 2020, Ausstellungsansicht Symmetria, Foto: Jens Ziehe

Clara Brörmann, Laternenbild 20, 2022 und Wendepunktbild 3, 2020, Ausstellungsansicht Symmetria, Foto: Jens Ziehe

Clara Brörmann, Laternenbild 19, 2022 und Laternenbild 21, 2022, Ausstellungsansicht Symmetria,  Foto: Jens Ziehe

Clara Brörmann, Laternenbild 19, 2022 und Laternenbild 21, 2022, Ausstellungsansicht Symmetria,  Foto: Jens Ziehe

Clara Brörmann, Ausstellungsansicht Symmetria, Foto: Jens Ziehe

Clara Brörmann, Ausstellungsansicht Symmetria, Foto: Jens Ziehe

Clara Brörmann, Symmetria 5, 2022 und Symmetria 3, 2022, Ausstellungsansicht Symmetria, Foto: Jens Ziehe

Clara Brörmann, Symmetria 5, 2022 und Symmetria 3, 2022, Ausstellungsansicht Symmetria, Foto: Jens Ziehe

Clara Brörmann, Symmetria 6, 2022 und Symmetria 2, 2022, Ausstellungsansicht Symmetria, Foto: Jens Ziehe

Clara Brörmann, Symmetria 6, 2022 und Symmetria 2, 2022, Ausstellungsansicht Symmetria, Foto: Jens Ziehe

Clara Brörmann, Symmetria 1, 2022, Ausstellungsansicht Symmetria, Foto: Jens Ziehe

Clara Brörmann, Symmetria 1, 2022, Ausstellungsansicht Symmetria, Foto: Jens Ziehe

Clara Brörmann, Symmetria 4, 2022, Ausstellungsansicht Symmetria, Foto: Jens Ziehe

Clara Brörmann, Symmetria 4, 2022, Ausstellungsansicht Symmetria, Foto: Jens Ziehe


(English version)

In the paintings of the artist Clara Brörmann, who also „painted figuratively in her student days frequently“, one does not recognize a depictive human figure. And yet her often large vertical formats refer to the human body, the human measure. They are multi-layered, abstract paintings, composed of round and angular, sometimes pointed forms in bright saturated colors, which were created processually over a long period of time. With a depth of the stretcher frame of around 7 cm, they almost show object like presence in the space.
Like people on their skin or clothing, for example, Brörmann’s pictures occasionally have superficial imperfections: Some paint is standing or peeling off, has been sanded off or you can see slight bumps or crusts, where paint was applied along an adhesive tape that was later removed. The history of creation is thus kept present by the artist: as a consciously made visible part of her work, which – from assembling and covering the painting support with her own hands to the last brushstroke – is also always physical labor. The edges of the canvases, which are often covered with trickles of paint, bear witness to this.

In the exhibition Symmetria, on view in the spacious bright rooms of RL16 on the second floor of Rosa-Luxemburg-Strasse 16, Clara Brörmann shows six works from her current, eponymous series Symmetria (2022), a couple of Turning Point Paintings (since 2020) and Lantern Paintings (since 2020) as well as smaller framed works made of colored transparent paper (Diaphanbilder, 2022). All of them have not yet been presented in Berlin.
The title Symmetria (Eng.: Symmetry) is an exemplary reference to the Roman architect, engineer and architectural theorist Vitruvius (1st century BC), who used the originally Greek term in his Ten Books on Architecture. For the motif of the invitation card, Brörmann again played with the well-known sketch The Vitruvian Man (ca. 1490) by Leonardo da Vinci, who in it already referred to Vitruvius‘ theory of proportion. Clara Brörmann has printed the catchy, meme-like motif that we all know in some way – be it from art class, from a holiday in Florence, from the Italian one-euro coin or our health insurance card – mirrored on top of each other, increasing the symmetry effect. It should also be mentioned here that da Vinci himself wrote the text on his drawing, which he partly took from Vitruvius’s theory of proportion (and in which, translated into English, one can read: “4 fingers make a palm … 24 palms make a man“), mirror inverted.

Clara Brörmann’s paintings from the Symmetria series – in which various symmetries can be discovered – are exhibited adjacent to each other at RL16, allowing for comparative viewing.
Visiting an exhibition in real space is also always a physical experience. Thus, especially with and in Symmetria, Clara Brörmann not only invites us to recall moments of 20th century art history (such as Hans Arp, Sonia Delaunay, Oskar Schlemmer, Hilma af Klint, Le Corbusier, or Frank Stella), but above all to enter into a direct dialogue with her paintings: to compare oneself with the proportions depicted therein, to reflect on one’s own body, its dimensions and radius of movement and to pay more attention again to these characteristics and their importance for our sens of self – also against the background of ongoing digitization and the trend towards virtual encounters and smart technologies.

Text: Barbara Buchmaier